Wenn ich an unser Projekt „Fremdes Zuhause“ denke, bin ich immer wieder erstaunt, wie wir aus einer kleinen Idee gemeinsam eine Performance geschaffen haben, die die Herzen der Zuschauer berührt hat.

Ausgangspunkt war das Buch „Herkunft“ von Saša Stanišić, das wir im Literaturunterricht gelesen hatten. Wir erhielten die Aufgabe, die Romanmotive Herkunft und Ankunft, Migration und Integration, Erinnerung und Vergessen kreativ zu gestalten. Während des Brainstormings dachten wir intensiv darüber nach: Was bedeutet überhaupt „Zuhause“? Ist es nur ein Ort auf der Landkarte? Oder steckt viel mehr dahinter – Gefühle, Erinnerungen, die Wärme der Familie?

Am Beispiel einer syrischen Familie wollten wir zeigen, wie Alter, Lebenserfahrung und innere Bereitschaft das Erleben einer neuen Welt prägen können. Wir spielten die Geschichte einer Großmutter und ihrer Enkelin, die zusammenleben und doch ihr „Zuhause“ ganz unterschiedlich empfinden: Die Enkelin hat in Deutschland bereits ein neues Zuhause gefunden, während die Großmutter sich nach ihrem verlorenen Syrien sehnt.

Eine besondere Form erhielt unser Projekt durch die Idee, Realität und innere Welt miteinander zu verbinden – durch das Spiel auf der Bühne und durch die Schattenbilder der beiden Figuren auf der Leinwand. Während die Großmutter und die Enkelin auf der Bühne gemeinsam kochten, sprachen und stritten, wurden ihre unausgesprochenen Gedanken und Gefühle durch die Schatten hinter ihnen erkennbar. Dabei wurde klar: Die wahren Barrieren zwischen den Figuren entstehen nicht durch unterschiedliche Sprachen, sondern dadurch, dass sie nicht offen über ihre Gefühle sprechen. Ein Video des Bühnenauftritts finden Sie hier.

Die Arbeit an diesem Projekt war für mich eine unglaublich bereichernde Erfahrung: Wir lernten, ein Drehbuch zu schreiben, Ton aufzunehmen und zu bearbeiten, Videos zu drehen und zu schneiden sowie Bühnenbild, Licht und Musik zu gestalten. Besonders faszinierend war es zu sehen, wie unsere Ideen durch die Teamarbeit nach und nach Gestalt annahmen.

Was mir besonders am Herzen liegt, sind die Rückmeldungen des Publikums. Manche erkannten sich in unseren Figuren wieder, andere dachten zum ersten Mal intensiv über die Geschichten von Geflüchteten nach. Und am wichtigsten: Wir haben die Zuschauer angeregt, darüber nachzudenken, was sie wirklich erfüllt und was für sie ein Zuhause ausmacht.

Ich bin sehr dankbar, dass es am Studienkolleg München nicht nur die Möglichkeit gibt, zu lernen und wichtiges Wissen zu erwerben, sondern auch Raum für Kreativität, für die Suche nach sich selbst und für das Sprechen über wichtige Themen durch Kunst.

Den Kurzfilm „Mittelweiß“, eine weitere Interpretation des Themas „Zuhause“, von Sarvenaz Esmaeilian finden Sie hier.

Neben dramatischen und filmischen Umsetzungen des Themas gab es im Rahmen des Projekts auch graphische und bildnerische Beiträge, die am Studienkolleg ausgestellt sind und hier in Form einer Collage zu sehen sind.

Liuba Maurina, G7724

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